Ich bin teilweise sehr erstaunt, was manche Leute über die aktuellen Facebook-Änderungen schreiben: Hier geht schon wieder die “Wir-werden-alle-sterben-Hysterie” um. Anders als viele Kommentatoren glaube ich nicht, dass die neuen Facebook-Regeln ein Rückschritt in Sachen Dialog sind. Im Gegenteil, sie werden den (echten) Dialog auf Facebook (massiv) stärken. Erstens weil es direkte Dialogmöglichkeiten gibt und zweitens, weil sich über die zusätzlichen (zumindest gefühlten) Kontrollmöglichkeiten mehr Unternehmen auf den Dialog einlassen werden. Die neue Regelung ist einfach “fair”, weil sie ein Gleichgewicht herstellt. Bei der aktuellen Regelung waren die Unternehmen nämlich nicht mehr “auf Augenhöhe” mit dem Bürger, sondern teilweise der Willkür einiger weniger ausgesetzt. Dieses Missverhältnis wird jetzt behoben. Und ich würde zu den Aktivisten fast sagen: “Selbst Schuld!” (das ist ein Update zu “Die neuen Funktionen bei Facebook sind ein echter Gamechanger – zumindest für die Unternehmen“)
Richtig ist auch: Die neue Darstellung beschränkt sicherlich etwas die Macht der ein Prozent “Aktivisten”, welche die Pinnwand gerne als eine Art “öffentlichen Raum” hätten, in der sie ungestört ihre Kritik äußern können, die aber oft in Propaganda ausartet, und die oft nur dazu dient, Unternehmen unter Druck zu setzen. Aber sie stärken die Macht der restlichen 99 Prozent (siehe 90-9-1-Regel), die entweder gar keinen Ärger mit dem Unternehmen haben, oder gar kein Interesse, ihren Ärger öffentlich zu posten (wenn sie ihn dann haben)….
99 Prozent wollen “vernünftigen” Dialog – und die sind Willkommen
Die neuen Features beschränken also die Macht der “ein Prozent”. Aber für “die 99 Prozent” gibt es die Möglichkeit, “privat” (also: “nicht öffentlich”) mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten. Insofern sehe ich nicht, dass das “bisherige Dialogmodell eingestellt” würde, wie Markus Hübner meint. Und mir dünkt, dass hier viele die Realität in den Unternehmen nicht kennen oder im Blick haben. Was viele Kritiker im Augenblick offensichtlich vergessen: Zunächst gibt Facebook den Unternehmen nur die Möglichkeit, Dialog einzuschränken. Und damit gibt Facebook den Unternehmen auch mehr Freiheit. Und mit dieser Freiheit müssen die Unternehmen – wie jeder andere mit seiner Freiheit auch – verantwortlich umgehen. Bisher sind “die User” mit ihrer Freiheit nicht immer verantwortlich umgegangen.
Facebook-Hijacking ist kein Dialog
Denn so lange die Aktivisten tatsächlich Dialog [sic!] führen wollen, ändert die neuen Features nicht. Die neuen Features ändern nur etwas, wenn Aktivisten oder Trolle Druck ausüben wollen, wenn sie polemisieren wollen, wenn sie “entern” oder “hijacken” wollen. Das ist aber und das war noch nie “Dialog”, sondern eine besondere Form der Gewalt. Alles andere wird auch weiterhin gehen und wird auch von den (guten) Unternehmen Willkommen geheißen. Und die schlechten Unternehmen, die diesen Dialog auch nicht wollen, sind heute gar nicht auf Facebook, oder haben die Pinnwand ganz abgeschaltet. Und wenn sie dann nur einseitig kommunizieren – who cares? Viel wichtiger sind die, die aufgrund des neuen Modells eben mehr [sic!] kommunizieren.
Radikale verhindern Lerneffekte
Es gibt viele Kritiker und Kommentatoren, die sind absolut nicht an “Dialog” interessiert, sondern nur am Rechthaben und am Trollen. Gegen die können sich Unternehmen jetzt besser schützen. Und das ist gut so, denn das stellt das Kräfteverhältnis wieder her. Aber das heißt nicht, dass die Unternehmen dadurch auch kritischen, öffentlichen Dialog unterbinden werden. Ich spreche ja aus der Praxis und nicht aus der Warte eine praxisfremden Idealisten. Ich rede in der Praxis ständig mit Unternehmen. Auch und gerade mit den “Großen”: Der Commerzbank, der Deutschen Bank, der Telekom, der Deutschen Bahn, Daimler, und, und und. Und in der Praxis sind alle diese Unternehmen absolut (!) bereit, sich mit den 99 Prozent auseinanderzusetzen, die kritisch Dialog führen wollen. Sie scheuen nur die ein Prozent die kritisch stänkern wollen, ohne zu einem Dialog bereit zu sein. Denn zu einem Dialog gehören immer zwei. Manche lassen sich trotzdem auf die ein (Daimler, Bahn, …), andere scheuen wegen dieser ein Prozent Facebook und das Social Web, und haben intern auch einen deutlich schwierigeren Stand, eine andere Kultur einzuführen!
Und noch ein paar weitere Argumente, warum das alles nicht wild ist:
- Auch bisher konnten die Unternehmen die Pinnwand so einstellen, dass man auf der Pinnwand nur die Beiträge der Unternehmen lesen konnte. Man musste auch einmal klicken, um an die Beiträge der User zu kommen.
- Im Vergleich zu vorher ist das sogar eine Verbesserung, denn auf der neuen Timeline sind die Kommentare der User zumindest in einem Kasten präsent.
- Wer ein Unternehmen unter Druck setzen will, hat immer noch mindestens 148 Millionen andere Websites und Blogs, über die er das machen kann.
- Die Seite mit den Userkommentaren lässt sich direkt verlinken
- Zensur bleibt Zensur. Egal, ob ein Unternehmen einen Post nachher verbirgt oder gar nicht erst zulässt. Da hat sich nichts geändert.
- Schon heute machen viele Unternehmen keinen ”Dialog” auf Facebook – und wenn, dann meistens nur “die Imitation von Dialog”, nämlich um den KPI “Interaction Index” oder “Engagement Index” hochzutreiben., Es kann nur besser werden.
- … (to be continued)
Fazit: Die neuen Regeln fördern Dialog
Ich habe keine Zweifel daran, dass die neuen Regeln den “Dialog” fördern. Natürlich wird es auch Unternehmen geben, welche diese neuen Möglichkeiten missbrauchen. So what?
Neue Facebook-Timeline, die Zweite: "Wir sind die 99 Prozent". Oder: Facebook-Hijacking ist kein Dialog!,
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